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Quo vadis Photovoltaik?

Messe München, InterSolar 2019, 15.05.2019

EAO-Interview mit Michael Vogtmann, Vorsitzender der DGS Franken, über Trends in der Photovoltaik aus Unternehmersicht


Herr Vogtmann, als Kenner und Experte der Solar-Szene kennen Sie alle Trends beziehungsweise haben zumindest eine fundierte Vorstellung, wo die Reise in Punkto Photovoltaik und Elektromobilität hingeht. Für die Teilnehmer unseres Energieeffizienznetzwerks POWER und Leser unsers Blogs hätten wir gerne eine Insiderinformation von Ihnen. Wo geht die Reise insbesondere für Unternehmen hin? Quo vadis Photovoltaik?

Bei Unternehmen ist die Verbindung zwischen Photovoltaik zur Elektromobilität natürlich da. Ganz hervorragend da, wo Firmenfahrzeuge ausgetauscht werden, beispielsweise wenn Leasingverträge auslaufen. Gerade Fahrzeuge, die gerade mal so 100 Kilometer am Tag fahren, werden zukünftig sicher vermehrt durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden.

Wenn Elektrofahrzeuge da sind, braucht man auch Ladestationen. Für Unternehmen, die über 100.000 kWh Strombedarf im Jahr haben, da haben die Speicher, die man auch Abends nochmal verwenden kann um die Fahrzeugbatterien nochmals aufzuladen, dann eine weitere Funktion und können wie eine doppelte Lastspitzenkappung wirken. Damit können tausende, zehntausende Euro für den Betrieb pro Jahr eingespart werden. Die Kombination PV-Anlage, Stromspeicher und Elektrofahrzeuge wird gerade bei Gewerbebetrieben einer der Trends der nächsten Jahre werden.

Eigenstromnutzung im Kontext der Elektromobilität ist ein großes Thema, das derzeit in vielen Beiträgen und Diskussionen behandelt wird. Worauf sollten da Unternehmer achten, bzw. welche Chancen sehen Sie hier gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die sogenannten KMU?

Schwerpunkte sind auf der Kostenseite zu setzen. Welche Elektrofahrzeuge sind mit welcher Reichweite für die nächsten Jahre zu planen? Welche Ladeinfrastruktur braucht der Betrieb hierfür? Wie groß müssen die Ladeleistungen sein? Die Ladeinfrastruktur sollte danach ausgerichtet werden, damit die Investitionen dafür noch leistbar sind. Auch sollte in die Planung einfließen, ob diese Ladeinfrastruktur nur für die eigenen Firmenfahrzeuge und Mitarbeiter zu Verfügung steht, oder halböffentlich bzw. öffentlich nutzbar ist, denn für letzteres gibt es Förderprogramme, die eine Investition leichter machen. Es ist ja zu hoffen, dass unser Verkehrsminister Herr Scheuer sich durchsetzt und ab nächstem Jahr die Investition in Ladeinfrastruktur generell mit 50 Prozent als Investitionskostenzuschuss gefördert wird, egal ob diese privat oder öffentlich ist.

Stromspitzenglättung mittels Stromspeicher: Viele unserer mittelständischen, produzierenden Kunden haben produktionsbedingte Lastspitzen, für die sie im wahrsten Sinn des Wortes teuer bezahlen müssen.

Ein Speicher zur Stromspitzenglättung für Unternehmen rechnet sich pi-mal-Daumen immer durch die damit erzielbare Laststromkappung. Auch ohne Förderung amortisiert er sich innerhalb von sechs bis acht Jahren.

Stichwort Power-to-Liquid (PtL): Neben dem Thema Elektromobilität werden Verfahren zur Herstellung synthetischer, strombasierter Kraftstoffe mittels Fischer-Tropsch-Synthese aus Erneuerbaren Energien, insbesondere aus PV- und Windstrom immer mehr als drop-in-fähiger Ersatz für fossile Kraftstoffe gesehen. Wie schätzen Sie die Marktchancen und Einsatzgebiete dieser CO2-armen Kraftstoffe in den nächsten Jahren ein?

Was die Markteinführung und den Test solcher Verfahren angeht und die Kostensenkung bei der Realisierung größerer Anlagen, denke ich schon, dass da Nennenswertes die nächsten Jahre passieren wird. So richtig groß werden PtL-Anlagen dann kommen, wenn wir in zehn bis zwanzig Jahren keine Atomkraftwerke mehr haben, kaum noch Kohlekraftwerke haben, denn dann müssen wir das zehnfache an Photovoltaik und an Windkraft im Vergleich zu jetzt installiert haben. Das klingt verrückt, ist aber rechnerisch ganz einfach nachzuweisen.

wir brauchen das zehnfache an Photovoltaik und Windkraft

Wir brauchen riesengroße Überschüsse aus Photovoltaik und Wind im Sommerhalbjahr, die wir dann über die Elektrolyse sei es als reiner Wasserstoff, sei es als synthetisiertes Erdgas, als was auch immer konservieren, um es im Winter nutzbar zu machen, aber auch um es für Langstreckenfahrzeuge und in Flugzeugen einsetzen zu können. Denn die gewaltigen Energiemengen, die wir für große Reichweiten von Fahrzeugen und Flugzeugen brauchen, die werden wir weder mit den herkömmlichen, noch mit weiterentwickelten Akkus schaffen. Daher halte ich diese Technik für unabdingbar, um die Energiewende in Deutschland und nicht nur in Deutschland wirklich mit 100% erneuerbaren Energien hinzubekommen.

Springen noch mal zu einem ganz anderen Thema, der Agrarphotovoltaik. Es werden zunehmend Überlegungen angestellt und Versuchsanlagen errichtet um landwirtschaftliche Flächen quasi zweimal zu nutzen. So wachsen zum Beispiel unter relativ hoch aufgeständerten PV-Modulen dann Nutzpflanzen heran, beziehungsweise dienen als Weideflächen. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in diesem Einsatzgebiet und welchen Anteil an der Stromproduktion sehen Sie perspektifisch bei der Agrarphotovoltaik?

Es gibt am Bodensee die erste Versuchs-Anlage, jetzt schon im zweiten Jahr mit Speicher an einem Demeter-Bauernhof, die aufgeständert über dem Acker errichtet wurde. Die Testergebnisse sind hervorragend. Natürlich werden im Schnitt 20 bis 30% weniger Nutzpflanzen geerntet, als ohne die Verschattung durch die Photovoltaikmodule und die circa 10 Meter hohe Tragkonstruktion. Jedoch hat man auch die Energieproduktion durch die Solarenergie. Beides zusammen hat in der Summe eine riesengroße Energieproduktion. Allerdings hat diese Sonderkonstruktion momentan noch den Nachteil, dass sie nicht konkurrenzfähig zu herkömmlichen Freiflächenanlagen ist, was sich aber im Zuge der Kostendegression relativieren wird.

Es hat sich auch im letzten Sommer herausgestellt, der ja ein total trockener war, dass die Mindererträge bei dieser Anlage doch nicht so stark waren, da die Pflanzen nicht so stark verbrannten wie ohne den Schutz durch die Photovoltaikmodule. Die Landwirte haben mit diesen monströsen Anlagen jedoch noch emotionale Probleme und müssen sich an diese erst noch gewöhnen.

Im Gegensatz dazu werden senkrecht angebrachte Module auf Äckern augenscheinlich leichter angenommen. Im Saarland gibt es schon ein entsprechendes genossenschaftliches Model mit einer attraktiven Verzinsung für die Genossen. Nochmal, wir brauchen das zehnfache an Solarenergie und an Windkraft als wir jetzt haben! Da müssen wir alle Möglichkeiten nutzen und manche werden halt erst in der Zukunft wirtschaftlich werden.

Quo vadis Photovoltaik
Michael Vogtmann

Die EnergieAgentur Oberbayern feiert im Juni ihren einjährigen Geburtstag. Wenn Sie sich gedanklich an unsere Stelle versetzten, welchen Ratschlag hätten Sie für uns? Welchem Thema, welchen Themen sollen wir verstärkte Aufmerksamkeit schenken?

Also wenn Sie dranbleiben an diesem kombinierten Thema Photovoltaik, Speicher und Elektromobilität, egal ob Einfamilienhaus, Gewerbebetrieb oder Kommune, dann setzen Sie auf das richtige Pferd, an dem kein Weg vorbeigehen wird. Ansonsten würde ich beim herangehen an mittelständische Betriebe noch empfehlen, den Entscheidern die Investitionschancen noch stärker zu vermitteln. Jeder Betrieb kann eine rentable erneuerbare Energieanlage haben, die gleichzeitig als Strompreisbremse wirkt.

Herr Vogtmann, besten Dank für das Gespräch.


Das Interview führte Michael Wühle, PlusB Consulting, Mitglied der EnergieAgentur Oberbayern. Wenn Sie News der EnergieAgentur Oberbayern eG abonnieren wollen, können Sie dies hier tun.


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